10 Jahre Grimmaer Schülerruderverein e.V. am 9.5. 2005.
Eine Zusammenfassung unseres Vereinsvorsitzenden, Herrn Dr. Hubertus von Below:
Am 9.5. 1995 trafen sich 10 verwegene Wassersportler im Gymnasium St. Augustin, um den Grimmaer Ruderverein wieder zu gründen. Vorausgegangen war folgende Unterhaltung zwischen dem damaligen Bürgermeister Osmar Brück und mir als ehemaligen Schülerruderer. Ich fragte ihn, wieso es an der wunderschönen Mulde eigentlich keinen Ruderverein in Grimma mehr gibt? Er antwortete mir, daß in den 50er Jahren die Vereine unter der neuen sozialistischen Führung keine Überlebenschance mehr gehabt hätten! Außerdem hätte sich die Stadt Grimma bewußt auf die neuen Modesportarten Tennis und Fußball auch aus Kostengründen beschränken wollen. Der Rudersport in Grimma wird um die vorletzte Jahrhundertwende ins Leben gerufen worden sein. Es gab nach dem Krieg mindestens drei Rudervereine. Es gibt böse Zungen, die behaupten, daß die Stadtväter die Boote bewußt nach Eilenburg und Wurzen weggegeben hätten und einige Boote sogar zerstört hätten, um das soziale Gefüge der Vereinsmitglieder auseinander zu bringen und um gleichzeitig besseren Zugriff für eine sozialistische Erziehung der Rudersportfreunde zu haben. Sicher ist, daß der Rudersport entscheidend zu einer festgeformten sozialen Gemeinschaft beitragen kann, die lebenslang hält und die für eine Stadt eine nie versiegende Quelle der Ideen und eigenständigen Veranstaltungsfreudigkeit sein kann. Das haben wir in unserer kurzen 10-jährigen Vereinsgeschichte mehrmals beweisen dürfen.
1997 profitierte der Verein von der Herstellung eines Tatort- Kriminalfilms, der sich hauptsächlich im Gymnasium St. Augustin abspielte. Zwei Ruderer waren die Hauptdarsteller und durften sich als Komparsen im Einer vor dem Gymnasium auf der Mulde im Wettstreit miteinander messen.
Ein anderes Mal kam die Denkmalschmiede Kaditzsch auf die lustige Idee, ein Orchester für Hörner auf der Mulde zu veranstalten. Der Orchesterleiter und Dirigent saß in der Nimbschener Lache, während auf der Anhöhe des Jutta Gleisberg Parks und am Ufer sich mehrere Instrumente versteckt hatten. Wir hatten auf zwei Vierern jeweils einen Par-force-Horn Bläser an Bord und sollten uns genau vor dem Dirigenten auf der Mulde kreuzen. Gleichzeitig erklangen die wunderbaren Hörner tatsächlich genau vor dem Dirigenten und die Szene wurde nachts von bengalischem Feuer an unserer Bugspitze erleuchtet.
Die Anlieferung des Achters aus Dresden führte 1996 zu einer etwas anderen Stadtratsversammlung. Der Transport kam so spät am Seume Gymnasium an, daß alle Helfer schon im Bett waren. So blieb mir nichts anderes übrig, als die Stadtratsversammlung zu unterbrechen und um Mithilfe beim Hereintragen des Achters in die Turnhalle des Seume Gymnasiums zu erbitten. Kurze Zeit später stürzte die Turnhalle wegen Baufälligkeit teilweise ein und vernichtete einen kleinen Teil unserer Boote.
Danach entschlossen wir uns, den ehemaligen Pferdestall an der Großmühle, der ungenutzt nach der Enteignung (1972) der Familie Gleisberg herumstand, 1990 im Treuhandbesitz war und dann durch den Holländer Cees Spelt zwar gekauft, aber leider dem Verfall preisgegeben war, mit der Einlagerung für unsere Boote zu nutzen. Konsequenterweise wurde Frau Gleisberg danach unser einziges Ehrenmitglied. Sie ließ dieser Ehrung sehr viel Anteilnahme am Vereinsleben folgen, freute sich sehr über die Wiederbelebung der Großmühle ( Roggenmühle, Pferdestall, Wohnhaus, Obermüllerhaus, Kindergarten, Volkssolidarität, Speicher) und die Entstehung der Muldenregattatradition Grimma – Wurzen, die alljährlich mittlerweile mehr als 1000 Wassersportler anzieht.
Im Laufe der Jahre gelang es uns, einen ansehnlichen Bootsbestand von ca. 22 Booten aus Hamburg, Dresden, Berlin, Frankfurt a. M. und Leipzig aufzubauen. Der Umbau zum Bootshaus ruhte maßgeblich auf den Schultern von Edwin Fehlauer und später von Frank Mann. Viele Menschen aus dem Verein, Grimmaer Altruderer und z.b. auch ehemalige Fürstenschüler des Gymnasiums St. Augustin halfen uns, den Verein aufzubauen. Am 13.8.2002 geschah das Unvorstellbare: die Mulde stieg um 8 Meter in die Höhe und stand sogar im ersten Geschoß unseres Bootshauses. Seit Menschengedenken war die Mulde noch nie mit einer solchen Gewalt und in derartiger Höhe in die Stadt eingedrungen. Das Bootshaus war danach nicht mehr wiederzuerkennen. Unsere Boote waren alle zerstört. Das Wunder nach dieser Katastrophe bestand aus einer Solidaritätserklärung aus der gesamten Bundesrepublik und weit darüber hinaus. Wir kamen in den Genuß von staatlichen Wiederaufbauhilfen (365.000, -€ aus dem hochwasserwiederaufbauhilfefonds) und viel Geld von 88 privaten Einzelspendern, das für die Wiederbeschaffung der Boote zurückgelegt wurde. Bisher haben wir erst einen neuen Renneiner angeschafft, weil wir erst einmal die Baumaßnahmen abwarten wollen. Geplant ist nicht nur die Bootslagerhalle, sondern auch oben ein Trainingsraum, eine Terrasse, ein Versammlungsraum mit Küche und Übernachtungsgelegenheiten für Wasserwanderer. Oben und unten werden Duschen und Toiletten installiert. Das Bootshaus wird das schönste Grimmaer Rudersportdomizil, was es jemals gehabt haben wird.
Da Herr Spelt keine eigenen Nutzungsvorstellungen von der Großmühle entwickelte und sein Sohn auch nicht mehr Müller wie sein Vater werden wollte, gelang es uns, die Stadt zu einem Gebäudetausch mit der ehemaligen Volkssolidarität zu bewegen. So kam der ehemalige Pferdestall seit 2004 wieder in den Besitz der Stadt Grimma, die uns die Immobilie dankenswerterweise kostenlos als Bootshaus vermietet. Die Betriebskosten müssen wir selbstverständlich selbst aufbringen.
Die hohe Politik hat uns auch ihre Ehre erwiesen. Nach der großen Flut stand Angela Merkel vor dem Bootshaus und unser Andy wußte mit ihr nicht besseres anzufangen, als ihr und unserem Ministerpräsidenten a.D. Kurt Biedenkopf und Prof. Georg Milbradt einen Spaten anzubieten, damit sie helfen können. Sie hatten dann doch etwas besseres vor. Dennoch hat uns die Idee vom Politiker mit dem Spaten in der Hand gefallen. Wenig später kam der Bundeskanzler Gerhard Schröder vorbei. Unser Bürgermeister Berger stellte den Verein vor, ich konnte mich für die bundesweite Solidarität bedanken und ihm einen Orangensaft einschenken. Immerhin hat ihm das Flutereignis teilweise die Wiederwahl ermöglicht, insofern war dieser Besuch keine Show für die Medien, sondern eine Herzensangelegenheit. Die Zeit nach der Flut entriß Grimma aus einem Dornröschenschlaf. Passend dazu stellte sich auch königlicher Besuch ein. Ihre königlichen Hoheiten Prinz Alexander v. Sachsen und Herzog Carl v. Württemberg äußerten sich beeindruckt von dem Wiederaufbauwillen der Grimmaer. Fehlte nur noch Seine Heiligkeit aus Rom…
Aus sportlicher Sicht haben wir uns mit Wanderfahrten etabliert, vorzugsweise auf der Elbe, Mulde, Berliner Gewässer und auf der Saale in Lobenstein. Die Langstreckenregatta in Meißen hat uns nun schon zum dritten Mal gezeigt, daß wir einen Übungsleiter benötigen und konsequenter sowohl im Sommer als auch im Winter trainieren müssen. Unsere Trainer sind gleichzeitig Sportlehrer vom Seume Gymnasium, die aber leider nicht im Rudertraining ausgebildet worden sind. Dennoch haben Wolfgang Höhne und Malte Martin sowohl wöchentlich zweimal Training organisiert und mehrere wunderbare Wanderfahrten ermöglicht. Wir warten noch auf sportbegeisterte Lehrer aus dem St. Augustin und der Mittelschule, denn nicht ohne Grund haben wir unseren Klub Schülerruderverein des St. Augustin und Johann Gottfried Seume Gymnasiums genannt. Die schulinternen Einer und Viererwettkämpfe stellen momentan die alljährlichen Höhepunkte des sportlichen Geschehens auf der Mulde dar. Am Himmelfahrtstag gibt es traditionell eine Ausfahrt mit dem Achter je nach Wasserstand bis Höfgen oder bis Kössern.